Warum Spareinlagen und Barmittel bei Untergangsszenarien nicht sicher sind

Auch wenn man denkt, dass zum Beispiel “die Märkte einbrechen”, sollten Barmittel nur als kurzfristige Anlagen dienen
Erschienen im Standard, am 29.09.2021

Vor nicht allzu langer Zeit fragte mich einer meiner Klienten, ob es riskant sei, an den Finanzmärkten und Börsen zu investieren, und Spareinlagen und Barmitteln nicht die sichere Alternative seien. Dies vor dem Hintergrund von Skandalen wie Wirecard oder Wienwert.

Barmittel in seinem Portfolio zu haben wird von vielen als sicher betrachtet, jedoch zeigt sich immer wieder, dass diese gar nicht so sicher sind. Ganz im Gegenteil können Barmittel höheren Risiken ausgesetzt sein als Anlageklassen wie Aktien, Anleihen oder Rohstoffe. Es spricht natürlich überhaupt nichts dagegen, Barmittel als kurzfristige Reserven bei der Hand zu haben. Jedoch sollten diese nicht als langfristige Anlageform im Portfolio gehalten werden. Das passiert, weil Anleger denken, “die Märkte brechen ein” oder “es erfolgt eine Kurskorrektur an den Börsen”. Dies sind jedoch nichts anderes als Market-Timing-Strategien, also Prognosen, die zu unterdurchschnittlichen Resultaten für die Anleger führen.

Market-Timing in der Praxis

Häufig folgen Anleger Crash-Propheten, die vor einem Einbruch an den Aktienmärkten oder des gesamten Systems warnen. Ratsam ist, dass Anleger diese Stimmen ignorieren und geduldig in die richtigen Anlageklassen investieren. Anleger sollten nicht der Versuchung erliegen, den Markt vorherzusagen oder “timen zu können” oder zu glauben, dass Crash-Propheten dies könnten. Das gelingt den wenigsten, jedoch stellen viele Autoren, Investmentmanager, Börsengurus, vermeintliche Experten oder Ökonomen im deutschsprachigen Raum Prognosen und Vorhersagen an.

Market-Timing bedeutet, dass sich Investmentmanager, Autoren, Börsengurus, vermeintliche Experten oder Ökonomen vor allem an den zeitlichen Abfolgen der Geschehnisse orientieren. Häufig geht das mit Prognosen einher – die zumeist falsch sind. Es kann sich aber auch um “angepriesene” Strategien von Fonds handeln, welche wissen, zu welchem Zeitpunkt der Markt “dreht”. Aufgrund von Market-Timing ist man manchmal in den Finanzmärkten investiert und manchmal nicht. Wenn man gerade nicht investiert ist, solle man laut diesen vermeintlichen Experten Barmittel aufbauen. Häufig liest man dann “Cash is King”. Das Halten von Barmitteln über einen längeren Zeitraum garantiert Ihnen jedoch den Verlust Ihrer Kaufkraft. Wenn Sie von Ihrer Bank 0,5 Prozent an Zinsen bekommen, mögen Sie sich vielleicht besser fühlen. Tatsächlich können Sie mit den jährlichen Preissteigerungen von Dingen des täglichen Gebrauchs nicht mithalten. Sie mögen sich in Sicherheit wiegen, letztendlich haben Sie jedoch unbemerkt etwas von Ihren Vermögenswerten abgeben müssen.

In die Glaskugel blicken?

Manche Anleger und Investoren möchten Vorkehrungen für Kurseinbrüche treffen und steigen aus den Finanzmärkten aus, wenn sie glauben, dass es zu Kursrückgängen kommt oder Crash-Propheten dies prognostizieren. Oder sie kaufen viele Aktien, wenn sie glauben, dass eine Erholung an den Finanzmärkten bevorsteht. Populäre Autoren in Deutschland, Österreich oder der Schweiz mögen Ihnen weismachen, dass dies möglich ist. Sie reden von “bestimmten Anzeichen oder Indikatoren” oder “Seismografen, auf die man in den nächsten Monaten oder Jahren achten muss” oder davon, “dass man aufgrund von schlechten Wirtschaftsdaten besser verkaufen sollte”. Die Wahrheit ist aber, dass man damit seinen Vermögenswerten und Veranlagungen wenig Freude bereitet. Market-Timing funktioniert nämlich nicht. Die Finanz- und Kapitalmärkte bestehen aus Millionen von Anlegern und Investoren. Diese haben alle die unterschiedlichsten Risikoprofile, Motivationen, Zielsetzungen und Zeithorizonte. Deshalb gibt es nicht lediglich einen Grund oder den einen Bericht, der die jeweilige Marktkorrektur oder den Abschwung an den Börsen verursacht hat oder noch verursachen wird.

Wenngleich es Ihnen noch so viele namhafte und vermeintliche Experten glaubhaft machen wollen, werden Sie durch solch ein Vorgehen schlechtere Resultate erzielen. Selbst wenn Sie schon Jahre vorher wissen würden, wann es zu einem Börsenkrach kommen wird (vermeintliche “Experten” publizieren meist Jahre vor Börsenkrisen Bücher), müssten Sie Ihre Aktien und anderen Wertpapiere verkaufen, und Sie würden nicht an den (bis zur Krise) folgenden Kurssteigerungen und ausbezahlten Dividenden teilhaben. Sie müssten exakt wissen, wann Sie aus den Aktienmärkten aussteigen, wann Sie wieder einsteigen, und das in der Folge immer wieder tun. Ich kenne niemanden, der solche Fähigkeiten besitzt. Auch wenn das viele Experten (Ökonomen, Gurus, Kommentatoren) immer wieder von sich behaupten.

Ein Blick nach vorne

Langfristig ist zu erwarten, dass die Zinsen tief am Boden bleiben und Spareinlagen und die Renditen von sicheren Anleihen über einen langen Zeithorizont negative Renditen erbringen werden. Bei einer derzeitigen Inflation von knapp drei Prozent beträgt der Verlust über sechs Milliarden Euro für die österreichischen Sparerinnen und Sparer. Die Anlageklasse der Aktien kann für das Ziel, den Wert des Vermögens zu erhalten und zu vermehren, eine wegweisende Rolle einnehmen. Blicken Anleger und Investoren auf die steigenden Gewinne nationaler wie auch internationaler Unternehmen und auf die niedrigen Renditeerwartungen anderer Anlageklassen wie Anleihen, so sind diese keineswegs überbewertet und stellen die sichere Alternative zu Spareinlagen dar, die derzeit reale negative Renditen erbringen.

Darüber hinaus stellen kurzfristige Spareinlagen keine geeignete Anlageform dar, weil diese über die Zeit hinweg die schlechtesten Renditen im Vergleich zu allen anderen Vermögensklassen erbrachten. Dies hat zur Folge, dass mit dieser Veranlagungsform selbst die Inflation (die jährliche Wertsteigerung eines “Warenkorbs” − auch “Geldentwertung”) nicht übertroffen werden konnte und daraus reale Vermögensverluste für Anleger und Investoren resultieren.

Als weiterer Punkt, warum Barmittel häufig gehalten werden, kann angeführt werden, dass diese ein trügerisches Gefühl der Sicherheit vermitteln. Anleger und Investoren waren zum Teil von den großen Kurseinbrüchen im Jahr 2007/08 so geschockt, dass sie einen Großteil ihrer Bestände verkauften und so liquide Mittel anhäuften. Gerade zum falschen Zeitpunkt, als die Börsen günstig bewertet waren (aufgrund von Verhaltensweisen wie Angst und Gier). Aber nicht nur in Krisen werden Barmittel angehäuft. Es zeigt sich, dass auch fernab von Kurseinbrüchen im deutschsprachigen Raum Spareinlagen im hohen zweistelligen prozentualen Bereich angesiedelt sind. Dabei wird von vielen Menschen nicht beachtet, dass selbst beim “Einbruch des gesamten Systems” (wie es viele Schwarzseher und Cash-Propheten gelegentlich von sich geben) auch Barmittel keine sichere Anlageform darstellen. Dies deshalb, da damit strukturelle Umbrüche einhergehen würden, die unter anderem zur Folge hätten, dass steuerliche Forderungen keineswegs bedient und selbst die “sichersten” Staatsanleihen nicht mehr zurückbezahlt werden könnten. Über einen längeren Zeitraum liquide Mittel zu halten ist folglich als Fehler zu bewerten. (Bernhard Führer, 29.9.2021)