Ist eine höhere Inflation besorgnis-erregend?

Die Inflation ist heute ein größeres Risiko als je zuvor – für Sparer wie auch für Anleger
Erschienen im Standard, am 29. November 2021

Eines der großen finanzieller Risiken im Ruhestand ist, dass Ihnen das Geld ausgeht, bevor Ihnen die Puste ausgeht. Ungewiss ist ebenso, wie hoch die zukünftigen jährlichen Preissteigerungen sind. Jedoch sind diese ein entscheidender Faktor, um zu wissen, wie lange Ihre Ersparnisse reichen. Die mangelnde Prognosekraft zeigt sich auch daran, dass auch wenn die Corona-Pandemie wieder an Fahrt gewinnt, die Ökonomien der Welt auf höheren Touren laufen, als dies vorhergesagt wurde. Das Wachstum und die massive Ausweitung der Geldmenge führten dazu, dass viele Länder die höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten verzeichnen.

Macht der Inflation und ihre Auswirkungen

Die Inflation ist mit aller Macht zurück. Nach mehreren Jahren niedriger Inflation ging die kräftige Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit in der EU und in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften mit einem über den Prognosen liegenden Inflationsanstieg einher. Die Verbraucherpreise in den USA stiegen im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent, die höchste Inflationsrate seit 1990. Die jährliche Inflationsrate im Euroraum stieg im dritten Quartal 2021 auf 2,8 Prozent. Der Oktoberwert betrug 4,1 Prozent, eine Rate, die seit Beginn der Veröffentlichung der Inflationsdaten des Euroraums im Jahr 1997 nur einmal erreicht wurde.

Diese Zahlen überraschen wenig, da Regierungen weltweit enorm viel Geld drucken und die Menschen mehr Geld bekommen (in Form von Gehaltssteigerungen, Subventionen und Ähnlichem). Dies produziert viel mehr Käufe, was zu viel höheren Preissteigerungen beiträgt. Manche Anleger und Sparer machen den Fehler, zu glauben, dass sie wohlhabender werden, da sie den Eindruck gewinnen, wie ihre Vermögenswerte im Preis steigen, ohne zu sehen, wie ihre Kaufkraft an Wert verliert. Am meisten werden diejenigen Menschen verletzt, die ihre Vermögenswerte und Gelder in Spareinlagen und Barmitteln haben.

Schutz vor Preissteigerungen

In den letzten zehn Jahren und insbesondere in diesem Jahr haben die Federal Reserve (Fed) und die EZB in Form von quantitativen Lockerungen extreme Geldschöpfungen vorgenommen. Darüber hinaus hat die Fed eine wesentliche Änderung der Politik vorgenommen. Sie strebt jetzt eine durchschnittliche Inflation von mindestens zwei Prozent an, was bedeutet, dass wir in Zukunft möglicherweise eine höhere Inflation sehen werden, um die zuletzt viel niedrigere Inflationsrate auszugleichen. Auf der anderen Seite ist der kräftige Inflationsanstieg hauptsächlich auf den Anstieg der Wohn- und Energiepreise zurückzuführen, scheint aber auch mit einer Vielzahl von wirtschaftlichen Anpassungen der Pandemie zusammenzuhängen, was darauf hindeutet, dass die derzeit erhöhten Niveaus weitgehend vorübergehend sind.

Inflation ist heute ein größeres Risiko als je zuvor – für Sparer wie auch für Anleger. Obwohl es keine Garantie dafür gibt, dass die Inflation außer Kontrolle gerät, stellen Sie sich Rohstoffe und Gold als Versicherung für Vermögenswerte vor. Normalerweise würden inflationsgeschützte Anleihen ebenso als Inflationsschutz dienen. Aber ihre Renditen sind derzeit meist negativ, was nicht besonders attraktiv ist, obwohl sie bei einem Anstieg der Inflation sicherlich einen gewissen Schutz bieten würden. Rohstoffe, Gold (nicht nur von Goldproduzenten) und Aktien sind Anlageklassen, die einen Schutz vor Preissteigerungen und gleichzeitig reale Wertsteigerungen nach Inflation ermöglichen. Dies auch gesetzt den Fall, dass die Inflation wieder abnimmt.

Die Anhänger von Kryptowährungen vertreten die Auffassung, dass diese vor Inflation schützen sollen. Demgegenüber steht, dass es sich dabei um virtuelle Codes handelt, die auf keinerlei physischen Sicherheiten beruhen. Die enormen Kursschwankungen führen eindrücklich vor Augen, dass damit kein Schutz vor Inflation geboten wird. Es handelt sich dabei lediglich um eine Spekulation auf dessen zukünftigen Wert und dass der nächste Abnehmer einen noch höheren Preis bezahlt.

Unabhängig davon, was Sie über Krypto, Rohstoffe, Gold und Aktien denken, ist es eine Binsenweisheit, dass Sie Vermögen auf natürliche Art und Weise vor Inflation schützen können – nämlich mittels Dingen, die den Menschen einen Wert bieten. Wenn Sie Dinge besitzen, die andere Menschen wollen, egal was in der Welt gerade vor sich geht, dann wird zumindest Ihre derzeitige Kaufkraft ziemlich sicher intakt bleiben. Dies gilt unabhängig davon, welchen Messstab Sie zugrunde legen. Währungen sind immer nur ein Wertmaßstab – denken Sie daran immer. (Bernhard Führer, 29.11.2021)